16.08.2024

Mehrgängiges visuelles Festmahl

donumenta ART LAB on the Move im Stadtosten mit Künstlerinnen aus Wien

Gabriele Edlbauer & Julia S. Goodman: „And Now a Few Words From Our Sponsors” (Foto: Gabriele Edlbauer & Julia S. Goodman)

REGENSBURG. Neuer Ort, neue Kunst – Ende August zieht das donumenta ART LAB on the Move an die lebhafte Kreuzung Kastenmaierstraße / Straubinger Straße im Stadtosten, wo täglich tausende Pendler*innen vorbeifahren und Bewohner*innen des Candis-Viertels über die Kreuzung gehen, um einzukaufen oder Bankgeschäfte zu erledigen.
Die Wiener Künstlerinnen Gabriele Edlbauer und Julia S. Goodman beziehen sich in ihrem Werk auf die frühneuzeitlichen Wandteppiche im Historischen Museum der Stadt Regensburg.
Ihr Werk heißt “And Now a Few Words From Our Sponsors (dt. Und nun ein paar Worte von unseren Sponsor*innen)”. In diesem anspielungsreichen Werk geht um Essen, Geld und Konsum.

Hommage an historische Wandteppiche
Wie die farbigen Fäden in einem Wandteppich, weben die Wiener Künstlerinnen Gabriele Edlbauer und Julia S. Goodman in ihren Arbeiten Erzählstränge aus Populärkultur, Kunstgeschichte und Alltag ineinander. Ihr aktuelles Werk für die dritte Station des donumenta ART LAB on the Move ist eine Hommage an die frühneuzeitlichen Wandteppiche "Kampf gegen die Laster und Tugenden" (ca. 1400) und “Wilde Leute” (1400 - 1420) im Historischen Museum der Stadt Regensburg.
Die Präsentation von Edlbauer und Goodman besticht durch Humor und Detailverliebtheit, die vielfältige Assoziationen hervorrufen können. In diesem Werk vermischen sich alberne Wortspiele, tiefgründige politischen Andeutungen und vieles mehr. Wer sich mit dieser Installation beschäftigt, genießt schließlich ein mehrgängiges visuelles Festmahl.

Humorvolle Annäherung
In ihrer Zusammenarbeit verbinden die Künstlerinnen Malerei und Skulptur. Dabei beziehen sie sich jeweils auf lokale Bildwelten. Für ihre Regensburger Arbeit wählten sie Motive aus dem 15. Jahrhundert und entwickelten daraus neue Narrative.
Die Installation für das donumenta ART LAB on the Move setzt sich aus zwei großen Gemälden – Rücken an Rücken montiert – und einer Vielzahl von Keramiken zusammen. Das eine Gemälde zeigt in Referenz zu den Teppichen, die Protagonist*innen, die die Ausstellung “And Now a Few Words From Our Sponsors” ermöglichten. Die persönlichen Verbindungen zu einem Ort und seinen Menschen sind wichtige Faktoren in der Kunstproduktion. In allen Epochen verewigen sich Künstler*innen und ihre Auftraggeberinnen in ihren Werken. Wer genau hinschaut, entdeckt die künstlerische Leiterin des donumenta e.V. und Trägerin des diesjährigen Kulturpreises der Stadt Regensburg. Weil sie seit vielen Jahrzehnten Künstler*innen den Zugang zur Stadt ermöglicht, hält sie die Schlüssel zur Stadt in ihren Händen. Kuratorin Antonie Angerer, gebürtige Regensburgerin, schuf die Verbindung zur UNESCO Weltkulturerbestadt. Angerer schwebt mit ihren beiden Schwestern über der Szene.

Frauen schaffen neue Räume des Dialogs
Das zweite Gemälde bildet den Hintergrund für zahlreiche handgefertigte Keramiken. Überdimensionierte Lebensmittelbehälter erinnern sowohl an Ketchup-Flaschen, und Senftuben als auch an Farbtuben und -töpfe. Ihre handbemalten oder glasierten Etiketten transferieren die Warenwelt des 21. Jahrhunderts ins Mittelalter. Das Design der Logos greift die Tier- und Pflanzenwelt der Teppiche auf. Die Keramiken verbinden sich mit der Malerei, der Makroaufnahme des gewebten Stoffes. Die gesamte Installation bedient sich Versatzstücken aus beiden Teppichen. Tatsächlich wurden diese Teppiche über Jahrhunderte hinweg immer wieder zerschnitten und neu zusammengesetzt. 

Mit feministischer Linse extrahieren Edlbauer und Goodman Figuren aus den historischen Wandteppichen und übersetzen sie in eine zeitgenössische Bildsprache. Sie thematisieren Geschlechterrollen und historische Fiktion, indem sie diese mit ihrer eigenen künstlerischen Ästhetik verbinden und neue Zusammenhänge herstellen. Sie füllen die grauen Bereiche aus, die verlorene Teile der Teppiche kennzeichnen. Diese Leerstellen, sowie die Würzmittel, die faden Lebensmitteln Geschmack verleihen, dienen als Metaphern dafür, Altes neu zu denken. So sind es in dieser Installation die Frauen, die Kunst ermöglichen, schaffen und nutzen, um neue Räume des Dialogs zu schaffen. 

Die Ausstellung wird bei Tag und Nacht für alle Besucher*innen und insbesondere die Nachbar*innen sichtbar sein. An zwei Samstagen (21.09. und 12.10.2024) lädt der Verein donumenta e.V. jeweils zwischen 11.00 Uhr und 13.00 Uhr zum Dialog, um die vielfältigen Aspekte dieses mehrgängigen visuellen Festmahls zu diskutieren.

Die Künstlerinnen
Gabriele Edlbauer (*1988, Linz) studierte an der Akademie der bildenden Künste Wien (2006–2012) und am Royal Institute of Art in Stockholm (2009–2011). Edlbauer hat an zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland teilgenommen, darunter sind die Luleå Biennale in Schweden, Belvedere 21 in Wien, Offenes Kulturhaus in Linz, Contemporary Istanbul, Kunstverein Dortmund und Luckman Gallery in Los Angeles. Zu ihren Residenzen zählen unter anderem Red Gate Residency in Peking/China, Black Sea Calling in Krasnodar/Russland und Spread Art in Detroit/USA. 

Julia S. Goodman (*1987, New York) machte 2020 ihr Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien und 2009 einen BFA der New York University.
Ausgewählte Ausstellungen in Österreich bei Belvedere 21, MQ Art Box, Galerie Zeller van Almsick, Galerie Raum mit Licht, Galerie 5020, VBKÖ, ksRoom, One Work Gallery. Sie hat an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, darunter Na rayone, Novo Molokova, Moskau, Queer Encounters / Vienna trans LA, Los Angeles, I guess the diet’s working, Galerie Zahorian & Van Espen, Bratislava, SubDocumenta, Athens Museum of Queer Arts, Athen.

Die Kuratorinnen
Antonie Angerer (*1986) ist gebürtige Regensburgerin, Kuratorin und Forscherin. Derzeit arbeitet sie an einem vom BMBF geförderten Projekt mit dem Titel „Social Worlds: China‘s Cities as Spaces of Worldmaking“ an der Universität Würzburg. 2014 gründete sie in Beijing die unabhängigen Kunst- und Forschungsplattform I: project space für kunstbasierte Forschung, internationalen Austausch und Ausstellungen und leitete die Institution bis 2023. Angerer kuratierte international Ausstellungen und hielt Fachvorträge, u. a. bei der documenta fünfzehn, dem Kunstmuseum Wolfsburg, dem Artspace Sydney und dem CAFAM (China Academy of Fine Arts Museum) Beijing. Heute ist Angerer als freiberufliche Kuratorin in Deutschland tätig und promoviert an der Freien Universität Berlin über die Imagination einer Stadt der Zukunft.

Anna-Viktoria Eschbach (* 1987) arbeitete als Kuratorin und Autorin an Projekten für die documenta fünfzehn, das Kunstmuseum Wolfsburg, das Artspace Sydney, das CAFAM (China Academy of Fine Arts Museum) Beijing und das Ludwig Museum in Budapest. Von 2014 bis 2020 baute sie das kuratorische Büro und Residenzprogramm von I: project space in Beijing auf. Thematischer Schwerpunkt waren Urbanisierung, Gender-Konzepten im asiatisch-pazifischen Raum, unabhängige Kunsträume, neuen Medien und digitale Kunst. Bis 2022 arbeitete sie an dem mehrjährigen kuratorischen Forschungsprojekt „Beijing22“, das den urbanen Wandel im Großraum Beijing dokumentierte. Als Mitglied des schweizerisch-chinesischen Verlags tria veröffentlichte Anna-Maria Eschbach zahlreiche Bücher über Kunst, Theorie, Stadtentwicklung und China. An der Kunstuniversität Linz promoviert Eschbach über Museen und Soft-Power-Politik in China.

Eröffnung am 31. August 2024, 11.00 Uhr Kastenmaierstraße 1, Ecke Straubingerstraße, vor der Raiffeisenbank Regensburg-Wenzenbach eG.

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