Ausstellungsvideo "Songs of a Ravaged Landscape" Video: fingerprint productions

Songs of a Ravaged Landscape - Gesänge einer verwüsteten Landschaft (03. Juni - 16. Juli 2023)

Bedrückte Stimmen singen Lieder einer verwüsteten Landschaft. Sie trauern um die Zeit des Friedens und engagieren sich gegen weitere Zerstörung, Gewalt und Wut gegen Menschen, Frauen und nicht­menschliche Wesen, die eine Gesellschaft bilden und ein Land bewohnen, das derzeit angegriffen wird. Anna Manankinas erste Einzelausstellung in Deutschland umfasst vier miteinander verwobene audiovisuelle Erzählungen, die die Betrachter*innen mit Hilfe immersiver Medien in Klanglandschaften und visuelle Umgebungen eintauchen lassen. Während wir in digitale Welten eintauchen. Wir wechseln in eine andere Realität. Wir werden so zu einer der Figuren ihrer Balladen und verinnerlichen deren Verzweiflung und Angst.

Ausstellungsflyer

Weitere Werke

Natural History of Destruction
Gehört die Zerstörung, wie sie in Anna Manankinas Narrativen zum Ausdruck kommt, schon immer zur natürlichen Ordnung der Dinge? Die Videoinstallation Natural History of Destruction bejaht diese Frage und verkörpert sie mit Hilfe generativer Algorithmen einer Künstlichen Intelligenz in immer neuen Knochen­ und Blumenstrukturen. Sie bezieht sich dabei auf den ikonografischen Topos Der Tod und das Mädchen. Hans Baldung Grien zeigt in diesem Gemälde eine junge Frau, hinter der sich wie ein Schatten die groteske Gestalt des Todes abzeichnet und sie daran erinnert, dass auch sie dem Tod nicht entkommen wird. Mit dieser Referenz zieht die Videoinstallation eine Parallele zwischen der Bedrohung des Körpers einer Frau und der Bedrohung, denen die Bewohner*innen eines besetzten Gebietes in Kriegszeiten ausgesetzt sind.

The Fog of War
In The Fog of War konfrontiert Anna Manankina die Betrachter*innen mit den Schrecken des Krieges in Charkiw in der Ukraine. Während die Zuschauer*innen in einem Land in Frieden leben, versetzt sie The Fog of War in den Krieg. Die geloopte Erzählung zeigt sensible Inhalte, die Grafik beeinflusst das Selbstverständnis der Betrachter*innen und ihre Wahrnehmung. Das Videomaterial für diese Arbeit wurde von Familienmitgliedern der Künstlerin aufgenommen, die trotz der Invasion in ihrer Stadt blieben. Die VR­Erfahrung versucht nicht, die Realität zu kopieren, sondern verkörpert vielmehr eine Erinnerung an Charkiw, indem sie die gegenwärtige, durch den Krieg verstümmelte Landschaft dokumentiert. Die Erfahrung, die Zerstörung der eigenen Heimat aus der Ferne zu verfolgen, vermittelt durch Fotos und Videos, führt zu einer abgespaltenen Wahrnehmung der Realität: zu einem Nebel des Krieges.

Voicing Resistance
Voicing Resistance ist ein weiteres Lied, das die Stimme als Erweiterung des menschlichen Körpers und seines politischen Widerhalls einsetzt. Die Klanginstallation enthält ein Zitat aus dem Gedicht And yet again I dreamed all night (1941) von Oksana Lyaturinska, einer ukrainischen Dichterin, die den größten Teil ihres Lebens in der Emigration verbrachte. Das Audio Statement wurde als Reflexion über den Krieg in der Ukraine und auch über die weibliche Erfahrung von Verletzlichkeit und Gewalt in den besetzten Gebieten aufgenommen.

Come Wander with Me
Das etwas frühere Werk Anna Manankinas, Come Wander with Me, basiert auf dem gleichnamigen Lied, das dazu aufruft, einer Welt der Gewalt gegen Frauen zu entkommen. Der visuelle Bezug ist ein weiteres Meisterwerk der deutschen Malerei: die römische Edelfrau Lucretia mit einem Dolch, gemalt von Lucas Cranach dem Älteren. Lucretia beging vor den Augen ihres Mannes Selbstmord, nachdem sie vergewaltigt worden war. Obwohl sie das Opfer eines Verbrechens war, wurde ihr die Schuld dafür gegeben. Das Phänomen der Opferbeschuldigung besteht in heutigen Gesellschaften noch immer und wird ohne Widerspruch in postsowjetischen Ermittlungen verwendet.
Das tragische Schicksal Lucretias wurde zu einem alarmierenden Symbol der Ungerechtigkeit, das schließlich eine politische Revolution auslöste und Rom von einem Königreich in eine Republik verwandelte. In der heutigen Ukraine ist das demokratische Gefüge des Landes mehr als je zuvor in seiner unabhängigen Geschichte von Gewalt bedroht. In Come Wander with Me wird der antiken Geschichte eine zeitgenössische Tragödie gegenübergestellt. Im Jahr 1995 wurde Ljudmila Tatarchenko in Charkiw auf dem Heimweg ermordet. Die Installation gedenkt ihres Todes und wirft die Frage auf, ob eine Gesellschaft möglich ist, in der sich Frauen frei bewegen können, ohne Angst vor Vergewaltigung und Missbrauch haben zu müssen.

Vita Anna Manankina

Anna Manankina (geboren in Charkiw, UA, lebt und arbeitet in Karlsruhe, DE) verwendet digitale Technologien, VR, AR und 3D­Animation und Video in ihrer künstlerischen Praxis. Thematisch geht es in ihrer Arbeit um Gewalt und Geschlechteridentität, die Stellung der Frau im künstlerischen und sozialen Kontext, sowie um Machtstrukturen, die geopolitische und soziale, aber auch private Lebensbereiche durchdringen. Die Künstlerin reflektiert in ihren Arbeiten den Krieg in der Ukraine auf der Grundlage ihrer eigenen Erfahrungen: Sie verließ ihre Heimatstadt und fand Zuflucht als Artist­in­Residence am ZKM | Karlsruhe.

Sie stellte kürzlich im ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, in der Tallinna Kunstihoone, in der Galeria Promocyjna, SDK in Warschau, auf der Manifesta 14 in Pristina und auf der 19. Medienkunstbiennale WRO 2021 in Wroclaw aus.

Vita Lívia Nolasco-Rózsás

Lívia Nolasco-Rózsás (geboren in Budapest, HU, lebt und arbeitet in Karls ruhe, DE) ist Kuratorin und Kunsthistorikerin. Seit 2006 kuratiert sie Ausstellungen in Institutionen für zeitgenössische Kunst und Medienkunst weltweit, darunter für das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe, das Chronus Art Center (Shanghai), Nam June Paik Art Center (Seoul), Tallinna Kunstihoone oder das Ludwig Museum Budapest, wobei sie sich auf die Überschneidungen von Kunst im interdisziplinären Kontext konzentriert. Im Rahmen des von ihr initiierten und geleiteten Projekts Beyond Matter forscht sie in kuratorischen Studien über die „virtual condition“ und ihre Auswirkungen im Ausstellungsraum.